01.11.2008 von
Thema: Rein und raus, rauf und runter
01.11.2008 von
01.11.2008 von System1
Hallo an alle,
neulich habe ich festgestellt, dass die Wörter "rein" und "raus" sowie auch "rauf" und "runter", in der Umgangssprache (und teilweise auch in der geschriebenen Sprache) sehr oft falsch verwendet werden.
Wie ich das meine:
zB. "raus", ist die gekürzte Form von "heraus".
Somit ist zB. die Anweisung "geh raus" eigentlich falsch.
In meinen Ohren richtig wäre, "geh hinaus" (also weg von mir).
Im Gegensatz dazu ist "komm raus", also komm heraus (zu mir) schon richtig.
Genau so wie zB. "gemma da rauf", da sollte es doch "gemma da hinauf" heißen.
Ok, das ist schon sehr ungewohnt , aber dennoch richtiger als rauf.
Meiner Meinung nach, liegt das daran, dass die Wörter "rein" und "raus" einfach statt "eine" und "auße" verwendet werden.
Zb. sagt man "geh auße" oder auch "kumm auße", da gibt es nur halt nur auße. Egal ob die Person zu der gesprochen wird, zum Sprecher hinkommen oder vom Sprecher weggehen soll.
Was meiner Meinung nach grotesk ist an der ganzen Sache:
Bei uns (zumindest im östlichen Österreich) wird rauf der "gehobenen Sprache" zugeordnet, während "aufe" bei vielen als unfein im Gedächtnis verankert ist.
Wenn man schon das feine Wort "rauf" statt "aufe" verwendet, weil man halt "schön sprechen" will, sollte man sich auch über die richtige Anwendung dieses Wortes Gedanken machen.
Es grüßt euch
da Hias
05.11.2008 von Brezi
'Rein' und 'raus' werden in Deutschland in der Umgangssprache fast ausschließlich benutzt und haben dort auch in die geschriebene Sprache Einzug gehalten. Tendenz anhaltend. In Wien (über den großen Rest Österreichs kann ich dazu keine Aussage machen) werden diese Wörter dann verwendet, wenn weder Hochsprache, noch Dialekt verwendet wird. Gerade der Wiener Dialekt zeichnet sich ja dadurch aus, dass man ihn in fast jedem Verhältnis mit der deutschen Standardsprache "mischen" kann (wenn man bestimmte Regeln einhält [1]).
Somit kann es heißen:
Komm heraus! (Eher förmlich; sagt in Wien kaum einer so; in der Schreibsprache ist aber das noch das Häufigste)
Komm raus! (Wird von fast allen so gesagt, wenn nicht gerade echter Wiener Dialekt gesprochen wird)
Kumm außa! Dialekt.
Man beachte dabei, dass es wie auch im Hochdeutschen, jeweils zwei Wörter für "raus" und "rein" gibt:
außa = heraus (ursprünglich "ausher")
auße (in anderen Landesteilen meist 'außi' = hinaus (ursprünglich "aushin").
Daher 'kumm außa' aber 'geh auße'. Indessen: 'Komm raus, geh raus'.
Was mir aufgefallen ist (kann das jemand bestätigen?), ist dass sich Oberbayern hier deutlich von Österreich unterscheidet: Meiner Beobachtung nach heißt 'hinunter' dort 'nunter' ,aber 'herunter' heißt 'runter'. Ebenso 'nei/rei', 'nauf/rauf'). Habe ich das richtig beobachtet?
Abschließend sei angemerkt, dass die diese Wortpaare in unserem Dialekt infolge von Unwissenheit immer öfter verwechselt werden, auf jeden Fall öfter als in der Schriftsprache. Auf Hochdeutsch wird jemand kaum aus einem Buch ein Blatt "hinausreißen". Auf Wienerisch hört man hingegen oft: "Na kumm, reiß's auße.
Ich nehme mich bezüglich solcher Fehler nicht aus.
09.11.2008 von System1
Man beachte dabei, dass es wie auch im Hochdeutschen, jeweils zwei Wörter für "raus" und "rein" gibt:
außa = heraus (ursprünglich "ausher")
auße (in anderen Landesteilen meist 'außi' = hinaus (ursprünglich "aushin").
Daher 'kumm außa' aber 'geh auße'. Indessen: 'Komm raus, geh raus'.
Hab ich gar nicht gewusst.
Ich find's interessant, welch gehobene Grammatik im Dialekt eigentlich vorhanden ist.
Nur gerät diese scheinbar in Vergessenheit.
09.11.2008 von Brezi
Dafür, dass so was nicht in Vergessenheit gerät (beziehungsweise manchen, die's net wissen, vermittelt wird) sind wir ja da. Oder sollten es zumindest. aufi (in Wien: aufe) und aufa sind jedoch nicht zwei grammatikalische Formen desselben Wortes, sondern (wie auch in der Schriftsprache) zwei verschiedene Adverben. Und eine Grammatik (egal, ob sie jemand pingelig aufgezeichnet und evtl. noch standardisiert hat, oder ob sie nur den Kindern von ihren Eltern unbewusst durch den Gebrauch der Sprache weitergegeben wird) hat jede Sprache. Oft ist die eines Dialektes sogar komplizierter. Dass Dialekte nichts anderes sind als "verschlampte Schriftsprache", ist eine häufige Ansicht, aber falsch. Dass zwei Wörter durcheinander geraten, passiert in jeder Sprache einmal. Im Fall des Hochdeutschen zückt halt der Lehrer den Rotstift. Beim Dialekt ist für die Korrektur niemand zuständig. Ich habe aber die Wortpaare, um die es hier geht, auch bis vor Kurzem wild durcheinander verwendet, bis ich darauf aufmerksam gemacht wurde.
12.11.2008 von Koschutnig
Brezi meint
Daher 'kumm außa' aber 'geh auße'. Indessen: 'Komm raus, geh raus'
"Kumm auße!"
gibt's aber auch.
Wenn das einer zu mir sagt, geh ich allerdings lieber nicht mit. Da bleib ich lieber, wo ich Zeugen hab.
K
12.11.2008 von Brezi
Verstehe, was du meinst. Da möchts wohl dein Gegenüber, dass du mit ihm z. B. vors Lokal kommst, damit etwas "weiter besprochen" werden kann. Ist es so? Dann gehe ich ebenfalls nicht mit.
12.11.2008 von Koschutnig
"...mit ihm z. B. vors Lokal kommst. : = "gehst"
Aber genau so, wie du's verstanden hast, ist mein "Kumm auße!" gemeint. Begleitet von einem bezeichnenden Wink mit dem Kopf in Richtung Tür meint der Sprecher:
"Komm her und geh mit mir hinaus" (bzw. nicht hochsprachlich bundesdeutsch "nach draußen".)
Als "Ellipse" wird dieses Stilelement bezeichnet: "Ersparung von Redeteilen, die zum Verständnis entbehrlich sind, da sie sich aus dem Kontext der Situation ergeben.
Für die Setzung von Ellipsen sind in der Regel sprachökonomische Gründe maßgebend"
(Lexikon sprachwissenschaftlicher Termini, Leipzig 1985, S 62)
Übrigens - nicht, um dich zu blamieren, denn wo du mit geh: -e od. -i; // komm: -a prinzipiell Recht hast, hast du Recht - aber trotzdem:
"Geh außa!" gibt's ebenfalls. Denk etwa an den verflixten Plastikkorken der niedrigpreisigen Weinflasche!
Prost !
K
12.11.2008 von Brezi
Klar gehst!
Meine Zerknirschung ist echt.
LG Br
12.11.2008 von JoDo
Vor langer, langer Zeit:
Kurt Sobotka in der Werbung für Drageekeksi:
GEEST WEG MID DE FINGA!?
(Geh st weg mit den Fingern)
Zum Korken. Das ist natürlich wieder scharf beobachtet. Ich bin ein kurzes Weilchen auf der Leitung g'standen, warum das hier passt. Aber klar! "Außageh(n)" heißt hier nicht herausmarschieren, sondern "sich (heraus) lösen lassen". Aus demselben Grund "geht" auch ein Fleck aus dem Pullover "heraus" und "kommt" nicht etwa. Aber du lieferst schon haarige Beispiele! Schön so!
Zur zwiefachen Bedeutung von "gehen" hier ein Mustersatz auf Österreichisch:
"Waun do olle einegengan, gengan net olle eine, owa es gengan eh net olle eine"
Wer sich um die Freude des Codeknackens bringen will, kann hier die Übersetzung lesen:
"Wenn hier alle hineingehen, passen nicht alle (von denen) hinein. Aber es gehen ohnedies nicht alle hinein"
Zum Sobotka: Ja, der hat eine Redewendung geprägt, die ein Jahrzehnt lang ganz oben in den Charts war. Um die Kurve zum Thema wieder zu kriegen, hätte er auch sagen können: "Gehst außa do mit die Finga!" (aus dem Drageekeksi-Sackerl) - und schon haben wir wieder ein lupenreines Paradoxon in Koschutnigs Sinn. Es ist wie in einem Kaleidoskop.
So, nachdem die Zwischenräume zwischen Arbeit und Schlaf bei mir noch immer auf den Namen Epsilon hören, mache ich jetzt dicht.
Seid mir auf das Herzlichste! Brezi.
13.11.2008 von Koschutnig
Eigentlich sind wir schon bei einem neuen Grammatik-Kapitel:
gehn:gengen
"gehn" ist ein echt unregelmäßiges Verb, das mit seinen Formen aus zwei verschiedenen Verben - gan/gen und gangan zusammengefallen ist (wie auch stan/stantan).
gan oder gen - ein "Wurzelpräsens" wie bin, tuon, stan) - ist ein Rest der indogermanischen "-mi-Verba"), bei denen sich die Flexionsendungen unmittelbar an eine einsilbige Wurzel anfügen. Sie entsprechen den griechischen Verben auf -mi und endeten noch im Althochdeutschen auf -m ( ih gam/gem, ih bim, ih tuom, ich stam - vgl. lat. sum).
Im 9.Jh. wurde das -m zu -n, neuhochdeutsch hat sich dieses nur in ich bin erhalten.
Die -a-Stämme (gan, stan waren alemannisch, rheinfränkisch und niederdeutsch, die -e-Stämme bairisch und mitteldeutsch, aber die mhd. Dichter haben, egal woher sie selber stammten, beide Formen je nach Reimerfordernis gebraucht, jedoch nur als Präsens verwendet.
gangan-gienc-gangan war ein Verb der Verbklasse VIIa ("ursprünglich reduplizierende Verba").
Ahd. war es noch vollständig: gangan-giang-giangum-gigangan
Es hat sich mundartlich im Präsens vor allem im Imperativ und im Plural prächtig neben dem 2.Verb gehn erhalten, die Indikativ- und die Konjunktiv II-Formen sind allerdings , wie Brezis Beispiel zeigt, bei vielen Sprechern zusammengefallen.
Gut Kärntnerisch würde es noch heißen:
"Wån do ålle einegangatn, gangatn net ålle eine, åwa es gengan(t) eh net ålle eine"
Geht des bei enk ålle eine?
K